Würzburg/Schmerlenbach (POW) Anlässlich des 60. Geburtstags der Friedensbewegung Pax Christi hat deren Bistumsstelle Würzburg zusammen mit dem Bildungshaus Schmerlenbach eine Begegnungsfahrt zum Monte Sole bei Bologna veranstaltet. Dort hatten Männer der deutschen Waffen-SS am 29. September 1944 in mehreren Dörfern fast 800 Zivilisten, vor allem Kinder, Frauen und alte Menschen sowie fünf Priester und zwei Ordensschwestern auf grausame Weise ermordet – in zwei Kirchen, auf einem Friedhof sowie zum Teil auch in ihren Häusern. Das italienische Motto der Begegnung lautete „Mai più – nie wieder!“. Ein Gegenbesuch der italienischen Friedensbewegung in Deutschland ist geplant.
Die internationale Friedensbewegung Pax Christi wurde vor 60 Jahren vor allem als Gebets- und Versöhnungsbewegung von Christen aus den ehemals verfeindeten Ländern Deutschland und Frankreich gegründet und setzt sich in zahlreichen Ländern der Welt, darunter auch in Italien, für Frieden und Versöhnung ein. Bei der Fahrt auf den Monte Sole ging es zum ersten Mal in der Geschichte von Pax Christi Deutschland um ein deutsch-italienisches Gedenken an die Opfer des Massakers. In der persönlichen Begegnung sollten Menschen beider Länder neue Impulse, Ideen und Kenntnisse für die eigene Erinnerungs- und Friedensarbeit erhalten.
Mitglieder von Pax Christi Bologna informierten über die historischen Hintergründe des Massakers. Bei verschiedenen Treffen mit Zeitzeugen und Nachfahren der Opfer wurde deutlich, wie die schreckliche Vergangenheit Menschen dazu anspornt, je auf ihre Weise an einer friedlicheren Zukunft mitzubauen: Der heute 84-jährige Francesco Pirini musste miterleben, wie fast seine gesamte Familie von Mitgliedern der Waffen-SS in die Kirche von Cerpiano eingesperrt wurde, in die dann Handgranaten geworfen wurden. Eine Nacht lang hörte er, im Gebüsch versteckt, die Schreie der Verwundeten, die immer leiser wurden, den fallenden Regen und das Gegröle von Soldaten, die im nahen Kindergarten feierten und Akkordeon spielten. Nach 20 Jahren konnte er den Tätern verzeihen. Fast 40 Jahre brauchte er, ehe er über das Erlebte sprechen konnte. Seine Erinnerungen zu teilen und vor allem Deutschen zu verzeihen, ist sein Beitrag für eine bessere Zukunft.
Enrico Peyretti erlebte, wie Partisanen drei deutsche Soldaten erschossen, obwohl die Dorfbevölkerung dagegen war. Für ihn schaffe der Krieg Situationen, in denen normale Menschen gewissenlos handelten. Die drei toten deutschen Soldaten hätten ihn zum Pazifismus bewegt. Heute ist Peyretti einer der führenden Köpfe des italienischen Versöhnungsbunds. Pierpaolo Lazarini ist als Enkel von ermordeten Dorfbewohnern bewusst als Biobauer auf den Monte Sole zurückgekehrt. Er will sanft mit der Natur umgehen und vor Ort die Erinnerung wach halten.
Altbischof Luigi Bettazzi, Konzilsvater und ehemaliger Präsident von Pax Christi International, war mit zweien der auf dem Monte Sole ermordeten Priester im Priesterseminar. Für ihn ist es ein Skandal, dass die Kirche Bolognas bis in die 1980er Jahre hinein brauchte, um das Massaker am Monte Sole als Martyrium von Gläubigen wahrzunehmen. In einem Vortrag erinnerte er an die Bedeutung von Giuseppe Dossetti. Der Jurist, Politiker und spätere Priester war im italienischen Widerstand und gestaltete nach Kriegsende auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit den mörderischen Diktaturen von Nationalsozialismus und Faschismus die italienische Verfassung mit. Er schrieb die demokratische Geschäftsordnung des Zweiten Vatikanischen Konzils und gründete schließlich eine diözesane Ordensgemeinschaft. Diese hat Niederlassungen an Orten, die besonders von Gewalt gekennzeichnet sind, wie am Monte Sole oder in Palästina. Für Schwester Teresa Dossetti ist das Martyrium der unschuldigen Menschen auf dem Monte Sole ein Wert, den es im Gebet und in der Lektüre der Bibel zu würdigen gilt: Die Toten mahnen zur Hingabe des eigenen Lebens für den Frieden.
Am letzten Tag der deutsch-italienischen Begegnungsfahrt analysierte man gemeinsam die gegenwärtige politische Lage in beiden Ländern: Sowohl in Deutschland als auch in Italien sei ein Erstarken rechtsextremer Bewegungen und ein Zunehmen fremdenfeindlichen, antisemitischen und rechtsextremen Denkens zu beobachten.
(1508/0466; E-Mail voraus)
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