Bad Neustadt/Würzburg (POW) Als junger Mann hatte er mit dem Gymnasiallehramt für Deutsch, Geschichte und Religion geliebäugelt und auch an eine Karriere bei der Bundeswehr gedacht: Am Samstag, 9. August 2025, wird Domkapitular Thomas Keßler, ehemaliger Generalvikar des Bistums Würzburg, 70 Jahre alt. Für den Teampfarrer und Moderator des Pastoralen Raums Bad Neustadt beginnt Ende August dann offiziell der Ruhestand, auch als Domkapitular. „Ich werde aber weiterhin in der Seelsorge im Pastoralen Raum Bischofsheim mithelfen.“ Zudem bleibe er Vorsitzender des Bonifatiuswerkes im Bistum, betont er.
Seinen Ruhestand wird Keßler in Bad Neustadt verbringen, in seinem Elternhaus in der Roßmarktstraße, unweit des Marktplatzes. „Dort bin ich aufgewachsen und hatte eine schöne Kindheit“, erinnert er sich. Wenn um 18 Uhr, wie damals üblich, die Geschäfte schlossen, seien leicht 30 Kinder in der Straße zusammengekommen, um Völkerball zu spielen. „Ich hab‘ gar nicht gemerkt, dass ich ein Einzelkind war.“
Der Priesterberuf, sagt Keßler, sei für ihn als Sohn eines Industriekaufmanns keineswegs vorgezeichnet gewesen. „Klar, ich hatte einen Onkel, der Pfarrer in Unterelsbach war. Aber meine Ministrantenkarriere beispielsweise endete – ehrenhaft – nach einem Missgeschick meinerseits bei einer Beerdigung.“ Zuhause habe eine „natürliche Frömmigkeit“ geherrscht, verbunden mit einer großen Freiheit. Die prägende Priesterfigur sei für ihn Dr. Otmar Einwag gewesen, der damalige Kaplan in seiner Heimatpfarrei Mariä Himmelfahrt. „Wenn es für einen so originellen Charakter wie ihn Platz in der Kirche ist, gibt es den für dich dort auch, habe ich mir gedacht.“
Als einer von insgesamt 21 Priesteramtskandidaten trat Keßler im Herbst 1977 ins Würzburger Priesterseminar ein. „Wir haben den Laden aufgemischt“, sagt er mit einem Lächeln. Für seine beiden Regenten hat er viel Lob übrig. „Regens Heinz Röschert war ein Kirchenmann, der einen ernstgenommen hat, ganz im Geist der Würzburger Synode, an der er teilnahm. Das Seminar habe ich als Ort der Freiheit in Erinnerung.“ Insgesamt elf Seminaristen empfingen am 25. Februar 1984 in Würzburg mit Keßler die Priesterweihe. „Wir waren der erste Weihejahrgang von Regens Hillenbrand, mit dem ich immer guten Kontakt hatte.“ Auf dem Weg zur Priesterweihe wurden für Keßler auch die regelmäßigen theologischen Gespräche mit dem Bad Neustädter Pfarrer Josef Wirth wichtig. „Ich schätze ihn als nüchternen Menschen, der nie in geschlossenen Systemen gedacht hat. Bei ihm war Hinterfragen nicht nur erlaubt, sondern erwünscht!“
Als Kaplan wirkte Keßler in Kleinwallstadt am Untermain, ehe er 1984 nach dem plötzlichen Tod des dortigen Pfarrers vorübergehend allein die Verantwortung für die Pfarrei Stockstadt übernehmen musste. 1985 wurde er dann Kaplan in der Kurstadt Bad Kissingen. „Ich war dort zugleich Jugendseelsorger des Dekanats Bad Kissingen. Das hat mir viel Spaß gemacht.“ 1987 bekam er seine erste Pfarrstelle, als Pfarrer für Mürsbach und Gereuth, ganz im Osten des Bistums Würzburg. „Das historische Pfarrhaus musste aber erst einmal gründlich renoviert werden. Es stand seit 15 Jahren leer, dementsprechend marode war der Zustand.“ Das Pfarrbüro habe sich anfangs daher in seiner Drei-Zimmer-Wohnung befunden, „den Kühlschrank haben wir als Aktenablage benutzt“.
Ab 1994 war Keßler zudem Leiter des Pfarrverbands Ebern. „Es ging damals darum, die Zusammenarbeit unter den Priestern und den anderen Seelsorgerinnen und Seelsorgern zu intensivieren. Für Pioniergeschichten konnte ich mich ja schon immer begeistern.“ Im örtlichen Pfarrverband habe es über das Organisatorische hinaus großartige Zusammenkünfte gegeben. „Immer nachmitttags an den Hochfesten, in der Jagdhütte des Dekans, mit einem grandiosen kulinarischen Programm“, erinnert sich Keßler. Als Nebenprodukt eines Krippenspiels, für das er damals ein Schaf suchte, baute er in dieser Zeit auch eine Herdbuchzucht von Coburger Fuchsschafen auf, die er dann bis zu seinem Stellenwechsel hegte.
Bestens entwickelten sich die Kontakte zu den evangelischen Nachbarpfarrern und deren Gemeinden. Es gab unter anderem einen Predigeraustausch, gemeinsame Glaubenskurse und sieben gemeinsame Hilfskonvois nach dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Die Zusammenarbeit war offenbar sehr vertrauensvoll. „Uns haben dann auch evangelische Christen gefragt, ob sie uns bei der Firmkatechese unterstützen können.“
Seit 1995 ist zudem das Thema Notfallseelsorge aufs Engste mit Keßler verknüpft. Für den früheren Aktiven der Bad Neustädter Feuerwehr ein ganz logischer Schritt „Damals trat eine Rotkreuzlerin aus dem Landkreis Bamberg an mich heran und hat mich gefragt, ob ich dabei bin, wenn hier eine Notfallseelsorge aufgebaut wird. Anfangs hatte jeder von uns 14 Tage Rufbereitschaft am Stück. Den Einsatzkoffer haben wir einander persönlich weitergegeben. Das hat zu einer guten Vernetzung geführt.“
Im Jahr darauf wurde Keßler Beauftragter für die Notfallseelsorge im Bistum Würzburg. Nach und nach suchte und qualifizierte er geeignete Mitstreiter. „Immer ein Landkreis pro Jahr“, erzählt er. Und das alles zusätzlich zu den pfarrlichen Aufgaben, seiner Aufgabe als stellvertretender Dekan, Koordinator der Seelsorge im Feuerwehr- und Rettungsdienst der Diözese Würzburg sowie ab 2001 beziehungsweise 2002 Präses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) in Baunach und Lauter. Notfallseelsorge, so betont er, „findet in der Praxis mehr im Haus als auf der Straße“ statt.
20 Kapläne, Pastoralassistent(inn)en oder Praktikanten bildete Keßler in seiner Mürsbacher und Bad Kissinger Zeit mit aus, unter anderem den heutigen Dompfarrer Stefan Gessner, Vizeoffizial Domvikar Thomas Drexler oder Ordinariatsrat Bernhard Lutz. „Sie alle durften ganz nebenbei auch Erfahrungen mit Schafzucht machen“, sagt er schmunzelnd. In Zusammenarbeit mit Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen und Dr. Jürgen Emmert von der Hauptabteilung Kunst des Bistums holte Keßler vielfach hochrangige Kunst für Ausstellungen ins Mürsbacher Pfarrhaus.
„Der Wechsel nach Bad Kissingen 2004 fiel mir nicht leicht, aber es war der richtige Zeitpunkt“, sagt Keßler. „Mein Vater erhielt zu dieser Zeit eine Krebsdiagnose. Da kam es mir gelegen, näher an der Heimat zu sein.“ Als Kurstadt sei Bad Kissingen ganz anders und städtischer geprägt als das Leben auf dem Land. „In der 10-Uhr-Messe hast du praktisch Deutschland vor dir in der Kirchenbank sitzen.“ Ab 2005 fungierte Keßler zudem als Dekan des Dekanats Bad Kissingen, wurde dann auch Pfarrer von Arnshausen, Pfarradministrator von Bad Bocklet, Aschach, Steinach und Windheim sowie Pfarrer von Hausen samt Filiale Kleinbrach. Vorübergehend war er ab 2011 auch Pfarradministrator der Pfarreiengemeinschaften „Saalethal, Euerdorf“ und „Der Gute Hirte im Markt Burkardroth“. „Zwischenzeitlich hab‘ ich mir überlegt, ob ich vielleicht einen Rentner finde, der mich fahren kann, wenn ich zu den vielen Arbeitskreisen nach Würzburg musste, in denen ich Mitglied war.“ Ob Einführung des Mitarbeiterjahresgesprächs, Begleitung der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften oder Prävention: In diesen und weiteren Gremien war Keßler als Mitglied gesetzt.
Wohl auch deswegen kannte und schätzte Bischof Dr. Friedhelm Hofmann ihn, „auch wenn wir bei verschiedenen Diskussionen keineswegs immer einer Meinung waren“. Keßlers Mutter war gerade bei ihm im Kissinger Pfarrhaus zu Besuch, als im Januar 2015 der Bischof anrief und ihn nach einem Vorgespräch bat, sein Generalvikar zu werden. „Ich war ähnlich erschrocken wie meine Mutter. Aber Paul Reder, heute Weihbischof und damals mein Kaplan, fand wie immer die richtigen Worte.“
Im Frühjahr 2015 war dann der Umzug nach Würzburg, Keßler wurde als Generalvikar eingeführt und kurz darauf auch Domkapitular, Leiter der Hauptabteilung „Zentrale Aufgaben“ sowie Rektor der Marienkapelle. Viel Zeit zum Einarbeiten habe er nicht gehabt, erinnert er sich. „Es gab so einige dicke Bretter zu bohren. Zum Beispiel das Thema Missbrauch. Es gab keine Strukturen, wie im Krisenfall beispielsweise die betroffenen Gemeinden informiert und begleitet werden.“ Zudem galt es das Bischöfliche Ordinariat mit weniger Hauptabteilungen neu zu strukturieren.
Nach fünf Jahren in der Verwaltung sei er aber gern wieder in die Seelsorge zurückgekehrt, erklärt Keßler. Er wurde Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft „Sankt Martin, Brend“ und Moderator im Pastoralen Raum Bad Neustadt – als erster nicht in Würzburg residierender Domkapitular. „So war ich bis zum Tod meiner Mutter im Jahr 2021 in ihrer Nähe.“ Seine geliebten beiden Pferde hatte er, ebenfalls zugunsten der Zeit für seine Mutter, bereits 2019 abgegeben. Den Kontakt nach Bad Neustadt hielt Keßler so gut er konnte aufrecht, unter anderem über den Stammtisch des Geburtsjahrgangs 1955.
Als Seelsorger bleibt er auch im neuen Lebensabschnitt der Rhön erhalten. Der Privatmann Keßler kündigt an, sich dann nach Möglichkeit verschiedenen Ausstellungen in Deutschland zu widmen. „Ich habe jetzt durch die Renovierung meines Elternhauses auch einen Wintergarten, der sich wunderbar für Veranstaltungen im kleinen Rahmen wie Weinproben oder Literatur- und Gesprächsabende eignet.“
mh (POW)
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